Alles über innere Kraft
Teil 6
Verschiedene Arten innerer Kraft
Einteilung nach der Art des Trainings
Wie bereits zu Beginn dieser Artikelserie erwähnt, trainiert man innerlich Geist, Energie und Essenz (Jing, Chi und Shen). Daher kann man in drei verschiedene Typen innerer Kraft unterscheiden, je nachdem welcher Aspekt beim Training hervorgehoben wird. Bei innerer Kultivierung sind stets alle drei Aspekte involviert, es ist also nur eine Frage auf welchem der Schwerpunkt liegt.
Da man es kaum besser ausdrücken könnte, hier eine direkte Übersetzung aus Sifus (Großmeister Wong Kiew Kits) Fragen-und-Antworten-Serie zu innerer Kraft:
Essenz bezieht sich auf die feinsten Teilchen des Praktizierenden. In moderner Deutung bezieht es sich auf subatomare Partikel. Von den drei Aspekten ist es jener, der Form besitzt. Aufgrund des eingeschränkten Sehvermögens unserer Augen nehmen wir die Form nicht als Ansammlung vieler individueller subatomarer Partikel wahr, und doch ist sie vorhanden. Wir erkennen die Ansammlung von Billiarden subatomarer Teilchen als eine Person. Energie und Geist sind hingegen formlos.
Beim inneren Training von Jing (Essenz) tritt ein Praktizierender in einen höheren Bewusstseinszustand ein um verweilt in einer speziellen Pose, üblicherweise statisch, um seine subatomaren Partikel mit Energie aufzuladen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die „Goldene Brücke“. Als Resultat wird der Praktizierende sehr kraftvoll, ohne seine Muskeln anspannen zu müssen, und ist imstande jegliche Art von Aktivitäten effektiver durchführen zu können, insbesondere physische Aktivitäten, inklusive Kampfkunst-Sparring und dem Zerschlagen von Ziegelsteinen.
Die goldene Brücke ist eine kraftvolle, stille Methode
um insbesondere Jing zu stärken.
Beim inneren Training von Chi (Energie) tritt ein Praktizierender in einen höheren Bewusstseinszustand ein und verweilt häufig, aber nicht unbedingt, in einer statischen Pose, um seinen Energiefluss, oft fälschlich als Atem übersetzt, zu regulieren, um die Energie harmonisch und energisch fließen zu lassen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die „abdominale Atmung“. Als Resultat erlangt der Praktizierende sehr viel Energie, welche ihm gute Gesundheit, Vitalität und ein langes Leben verschaffen.
Abdominal Breathing verschafft sehr viel
fließende Energie, besonders im Dantian.
Beim inneren Training von Shen (Geist) tritt ein Praktizierender in einen höheren Bewusstseinszustand ein, lässt seine Energie spontan fließen, verweilt üblicher- aber nicht zwingender Weise, in einer statischen Pose – wie aufrecht stehend oder im Lotussitz zu sitzen – und kultiviert seinen Geist indem er ihn zähmt, aufbaut und nährt. Ein gutes Beispiel ist die Standmeditation. As Resultat erlangt der Praktizierende geistige Frische und Klarheit und auf höherer Stufe spirituelles Erwachen unabhängig von Religion.
Einteilung nach der Funktion
Die früheren Meister unterteilten die Kultivierung innerer Kraft in drei Kategorien, namens qinggong, qigong und yingong, bzw. die Kunst der Leichtigkeit, die Kunst der Energie und die Kunst der Härte.
Bitte beachte, dass diese Klassifizierungen der Bequemlichkeit dienen und keine starren Abgrenzungen sind. Es gibt häufig Überlappungen. Die Kultivierung von Jing, Chi und Shen ist in allen diesen Künsten von Leichtigkeit, Energie und Härte involviert. Auf der anderen Seite kann jede Kultivierung von Jing, Chi oder Shen auch nach der Kunst der Leichtigkeit, Energie und Härte klassifiziert werden.
Anders als die vorherige Einteilung, welche auf dem Schwerpunkt bei der Kultivierung basiert, ist bezieht sich diese Klassifizierung auf die verschiedenen Funktionen der entwickelten inneren Kraft.
Qinggong, die Kunst der Leichtigkeit, lässt den Praktizierenden sich leichter fühlen. Sein physisches Gewicht bleibt dabei zwar unverändert und doch kann er höher springen und lange Strecken laufen ohne außer Atem zu kommen. Praktizierende der Kunst der Leichtigkeit sind schnell und agil.
Qigong ist die Kunst, die wir in unserer Schule praktizieren, insbesondere in unseren Qi Gong-Kursen. [Auch unser Kampfkunsttraining führt dazu, dass wir uns hinterher frischer und stärker fühlen, also Energie aufbauen statt zu verbrauchen. Daher zählen wir auch dieses zur Energiearbeit.] Bei der Praxis regen wir unseren Energiefluss an und speichern Energie in unseren Dantians bzw. Energiefeldern. Die Praxis verhilft Praktizierenden dazu Krankheiten, Verletzungen und Schmerzen zu überwinden, gute Gesundheit, Vitalität und ein langes Leben zu haben sowie Spitzenleistung im Alltag zu ermöglichen. Sie fühlen sich entspannt, friedvoll und glücklich.
Qi Gong vermittelt tiefen inneren Frieden und Freude.
Yingong, die Kunst der Härte, wird häufig auch als Kampfkunst-Qigong bezeichnet, da sie üblicherweise bei der Ausübung einer Kampfkunst trainiert wird, wenn Schüler das Glück haben sie zu lernen. Es handelt sich dabei nicht um Konditionierung, wofür es einige Praktizierende halten. Beim Training werden die subatomaren Partikel mit Energie aufgeladen, wodurch die trainierten Körperstellen sehr kraftvoll werden. Manchmal werden dabei äußere Hilfsmittel, wie Schlagkissen bei „Iron Palm“ und Bambusstäbe bei „Iron Arm“, verwendet. Diese Hilfsmittel sind aber nicht dazu gedacht die trainierten Körperstellen abzuhärten. Praktizierende fühlen sich kraftvoll und voller Vitalität.
Hart und weich
Das Training innerer Kraft wird auch in hart und weich eingeteilt. Weiche innere Kraft (Chinesisch: rou) wird häufig fälschlicherweise als schwächer angesehen. Dabei kann sie, zum Beispiel bei der Anwendung der „Cosmos Palm“, sogar noch kraftvoller sein als harte innere Kraft (Chinesisch: gang) wie bei „Iron Palm“.
Wer sich nun wundert, dass weiche Kraft stärker sein kann als harte, der denke daran, dass ein Stromschlag, welcher weicher Kraft entspricht, kraftvoller ist als ein Schlag mit dem Vorschlaghammer.
Praktizierende harter Kraft fühlen sich kraftvoll und entspannt. Das Training verschafft ihnen Selbstvertrauen und Effizienz beim Erledigen ihrer Arbeit. Praktizierende weicher Kraft fühlen sich frisch und energetisiert. Das Training macht sie agil, sowohl in der Bewegung als auch im Geiste.

Autor: Sifu Leonard Lackinger
Die Serie „Alles über innere Kraft“:
Hier geht's zu
- Teil 1 - Begriffsklärung und Geschichte
- Teil 2 - Entscheidende Erkenntnisse und die Funktionen innerer Kraft
- Teil 3 - Ein Vergleich zu Muskelkraft
- Teil 4 - Innere Kraft in der Kampfkunst
- Teil 5 - Negative Auswirkungen fehlerhaften Trainings
- Teil 6 - Verschiedene Arten innerer Kraft
- Teil 7 - Fließen und Verdichten, zwei gegensätzliche Pole
- Teil 8 - Flow Method und Force Method
- Teil 9 - Wichtige Entdeckungen zu „Flow Method“ und „Force Method“
- Teil 10 - Weitere Klassifizierungen
- Teil 11 - Techniken zur Entwicklung innerer Kraft
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übertreiben. Was ist Übertraining und was kann man dagegen tun?
Links:
Originaltext: Various Types of Internal Force
10 Questions to Grandmaster Wong on Secrets of Building Internal Force
10 Questions to Grandmaster Wong on Cleansing, Building and Nourishing
Artikelübersicht:
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