Alles über innere Kraft
Teil 4
Innere Kraft in der Kampfkunst
Um einen wirkungsvollen Schlag anzubringen braucht es neben gutem Timing und richtiger Distanz vor allem ausreichend Kraft.
Tai Chi Chuan (Taijiquan) gilt wohl als die bekannteste innere Kampfkunst. Hier benötigt man zwar nur wenig Kraft um auch stärkere Gegner zu überwältigen, aber selbst die beste Technik nützt nichts, wenn sie nicht wenigstens durch ein Mindestmaß an Kraft gestützt wird.
Weitere bekannte, innere Kampfkünste sind Baguazhang und Xingjiquan (oft auch Hsing Yi Chuan).
Was wenigen Menschen bewusst ist, ist, dass Shaolin Kung Fu eigentlich die höchste und vielseitigste innere Kampfkunst ist. Es verfügt über eine Vielzahl verschiedener Trainingsmethoden und hat einige der legendärsten Kämpfer aller Zeiten hervorgebracht. Leider wird es größtenteils als externe Kampfkunst unter Einsatz von Muskelkraft und schweißtreibendem Training betrieben und nur wenige kommen in den Genuss die hohen, inneren Künste der Shaolin zu erlernen. Dadurch findet man in den inneren Stilen allgemein wahrscheinlich mehr Praktizierende, die erfolgreich innere Kraft kultivieren.
In Shaolin Wahnam betreiben wir alle Stile, ob es Shaolin Qi Gong, Tai Chi Chuan, Wing Choon oder Shaolin Kung Fu ist, als innere Kunst, da wir bei allen dreifache Kultivierung betreiben, also Jing, Chi und Shen trainieren. Die beim Training aufgebaute innere Kraft verhilft neben wuchtigen Schlägen auch zu gesteigerter Ausdauer. Auch wenn es im Kampf eher das Ziel ist zu einem raschen Ende zu kommen, bemerken unsere Schüler, dass sie oft stundenlang Sparring betreiben können ohne zu ermüden.
Im Tai Chi Chuan genügt ein Mindestmaß an Kraft um gegnerische
Attacken abzuwehren. Dieses muss jedoch vorhanden sein.
Wie fühlt sich innere Kraft an?
Wie erklärt man jemandem wie eine Orange schmeckt, wenn er noch nie eine gegessen hat?
Jene, die innere Kraft haben, wissen es und nehmen sie zumeist auch wahr.
Hier trotzdem ein paar Versuche es zu beschreiben.
Oft macht sie sich durch ein Kribbeln oder Wärme bemerkbar. Manchmal durch ein Ziehen ein spannendes oder ausdehnendes Gefühl. Häufig manifestiert sie sich als Schwere oder aber auch mal als Leichtigkeit. Diese Beschreibungen können aber nur eine Ahnung davon vermitteln.
Die Arme von Tai Chi Chuan-Meistern werden oft mit in Seide gehüllten Eisenstangen verglichen, da die Arme durch das Training zwar sehr robust werden, die Haut aber schön samtig weich wird.
Generell erkennt man Menschen mit viel „Gong“, also großen Fähigkeiten wie innerer Kraft, an ihrer Haltung und Ausstrahlung, gesunder Hautfarbe und funkelnden Augen. Bei manchen Praktizierenden sieht man bei der Ausübung von Kung Fu- oder Qi Gong-Techniken Vibration in den Händen oder anderen Körperteilen.
Wird innere Kraft im Kampf angewandt, kann man sie am empfangenden Ende wahrnehmen. Vergleiche unserer Schüler reichen vom Aufprall einer Lokomotive, Nadelstichen, Elektrizität ähnelndem Schock bis hin zu sanften, aber unaufhaltsamen Wellen. Die Arme eines Gegners mit viel innerer Kraft werden häufig als unbeugsam oder unbewegbar erfahren.
Sifu Wong Chun Nga beim Test
seiner „Golden Bell“ mit einem Beil.
Die Grundlage für höhere Künste
Alle speziellen Künste im Shaolin Kung Fu, auch als „72 Shaolin Künste“ bekannt, benötigen als Grundlage ein gewisses Maß innerer Kraft. Angesichts der geringen Zahl an Kampfkünstlern, die erfolgreich innere Kraft trainieren, überrascht es nicht, dass viele dieser legendären Künste heute als verloren gelten.
Zu diesen gehören unter anderen:
- „Golden Bell“, die es Praktizierenden ermöglicht Schläge unbeschadet zu überstehen
- „Cosmos Palm“, die für vernichtende Schläge als auch zur Heilung eingesetzt werden kann
- „Dim Mak“, die Kunst Vitalpunkte zu schließen und dadurch Lähmungen oder gar den Tod zu verursachen
In Shaolin Wahnam sind einige dieser Künste, dank unseres Internal Force-Trainings ab Beginn unserer Kampfkunstausbildung, weiterhin am Leben.
Autor: Sifu Leonard Lackinger
Die Serie „Alles über innere Kraft“:
Hier geht's zu
- Teil 1 - Begriffsklärung und Geschichte
- Teil 2 - Entscheidende Erkenntnisse und die Funktionen innerer Kraft
- Teil 3 - Ein Vergleich zu Muskelkraft
- Teil 4 - Innere Kraft in der Kampfkunst
- Teil 5 - Negative Auswirkungen fehlerhaften Trainings
- Teil 6 - Verschiedene Arten innerer Kraft
- Teil 7 - Fließen und Verdichten, zwei gegensätzliche Pole
- Teil 8 - Flow Method und Force Method
- Teil 9 - Wichtige Entdeckungen zu „Flow Method“ und „Force Method“
- Teil 10 - Weitere Klassifizierungen
- Teil 11 - Techniken zur Entwicklung innerer Kraft
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sollte stets 4 Aspekte beinhalten: Form, Kraft, Anwendung und Theorie
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Außerdem kann man die Art der Übungen und Ziele in 5 Kategorien einordnen.
Das Privileg des Übertrainings im Qi Gong
In Wahnam sollten wir darauf achten es nicht mit dem Energie-Training zu
übertreiben. Was ist Übertraining und was kann man dagegen tun?
Links:
The 72 Shaolin Arts
10 Questions to Grandmaster Wong on Secrets of Building Internal Force
10 Questions to Grandmaster Wong on Cleansing, Building and Nourishing
Artikelübersicht:
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