Überraschung, Kombination und Variation
Wie du lernst, mit klassischem Kung Fu zu kämpfen
Teil 3
Nachdem man die Kampfsequenzen korrekt erlernt hat,
lassen sie viel Spielraum für weitere Möglichkeiten.
Überraschung!
Um das schnelle Abrufen der passenden Antwort, sowie schnelle Entschlusskraft und spontane Anpassung zu trainieren, kann man sich auf eine kleine Auswahl an Sequenzen einigen. Welche schließlich drankommt, entscheidet einer der Partner. Je nach Aufbau der Sequenz, kann das der Angreifer oder der Verteidiger sein.
Sehr gut eigenen sich beispielsweise jeweils die vier Kampfsequenzen eines Levels unseres Shaolin Kung Fu. Bei den Sequenzen 1-4 und 5-8 entscheidet sich der Angreifer für eine, bevor er angreift. Bei 9-12 ist der erste Angriff immer gleich („Black Tiger Steals Heart“) und der Verteidiger kann sich aussuchen, wie er darauf antwortet. Der Angreifer muss sich dann rasch anpassen. Das gleiche gilt für die letzten 4 Sequenzen, die Würfe und Griffe beinhalten. Je nach Situation, schaltet der Angreifer auf die passende Sequenz um.
Kombinationen
Die Sequenzen lassen sich auch gut aneinanderhängen und kombinieren. Hierfür gibt es verschiedenste Möglichkeiten, wie:
- Der Angreifer setzt nach Abschluss einer ersten Sequenz sofort mit einer zweiten nach.
- Nach Abschluss der ersten Sequenz dreht der Verteidiger den Spieß um und greift seinerseits mit einer Sequenz an.
- Der Verteidiger darf die Initiative übernehmen und selbst einen Angriff starten, wenn der Angreifer zögert.
In diesem Stadium kann man bereits gut erkennen, wie automatisch viele Reaktionen bereits sind. Falls einer der Partner unabsichtlich mit einer anderen Technik als der vorgesehenen reagiert, schaltet der andere Partner sofort um, und die beiden gehen fließend einfach in eine andere Sequenz über.
Variationen
Während es natürlich gut ist, die Standardversionen zu kennen und einhalten zu können, ist die automatisierte Fähigkeit zu neutralisieren das, worum es schlussendlich geht – sei es durch einen Ausweichschritt, Standwechsel oder Zurücksinken. Wenn man feststellt, dass man den üblichen Ablauf verlassen hat, ist es wichtig nicht abzubrechen, sondern einfach weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Schließlich sollen wir uns von der Standardabfolge nicht versklaven lassen. Sie dient lediglich als Richtschnur in unserem Training. Beim nächsten Durchgang achten wir einfach wieder darauf mit dem Standard zu starten, während wir immer weiter mit dem Partner fließen.
Ist die Standardabfolge der Kampfsequenzen verinnerlicht, kommen dann bewusst verschiedenste Variationen hinzu. Beispielsweise:
- Der Angreifer darf eine oder zwei Techniken weglassen.
- Der Angreifer darf eine Technik hinzufügen.
- Beide dürfen eine Technik hinzufügen.
- Einer oder beide Partner dürfen einen Kick hinzufügen.
- Einer oder beide Partner dürfen einen Wurf hinzufügen.
- Einer oder beide Partner dürfen einen Griff hinzufügen.
Schritt für Schritt wird das Kampftraining so immer freier, spontaner, schneller und kraftvoller. Man verlässt also immer mehr die vorgegebene „Form“ der Kampfsequenz und wendet spontan jene Techniken an, die die Situation erfordert.
Mehr als nur ein Tanz
Auf den ersten Blick halten viele die Kampfsequenzen für einstudierte Tänze, was sie gewissermaßen auch sind. Genauer betrachtet – und trainiert – offenbaren sie jedoch ihre Tiefe und dienen als effektives Werkzeug im systematischen Training. Es ist eigentlich überraschend, dass diese Methodik heutzutage nur noch selten zu finden ist, und wenn überhaupt nur als oberflächliche Choreografie praktiziert wird.
Ein weiterer Aspekt ist die behutsame Gewöhnung an das Gegenspiel im Kampf. Die Scheu vor der physischen Auseinandersetzung wird abgebaut. Gleichzeitig macht uns das innere Training aber immer friedvoller und ruhiger, wodurch wir an einem realen Kampf kein Interesse haben. Falls nötig, sind wir aber darauf vorbereitet „die Arme zu kreuzen“.
Was wie eine starr einstudierte Tanzchoreografie wirkt,
dient als Basis für variantenreiches Training und
die Entwicklung zahlreicher Fähigkeiten.
Autor: Sifu Leonard Lackinger
Die Serie „Wie du lernst, mit klassischem Kung Fu zu kämpfen“
Hier geht's zu
- Teil 1 - Erste Schritte zum Kung Fu-Kämpfer / zur Kung Fu-Kämpferin
- Teil 2 - Das fehlende Bindeglied
- Teil 3 - Überraschung, Kombination und Variation
- Teil 4 - Klassische Beispiele, Kombinationen im Kampfsport und die siegreiche Strategie
- Teil 5 - Weitere Methoden für Kampffähigkeiten
- Teil 6 - Vom Formlosen zur Form, von der Form zum Formlosen
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Die 4 Dimensionen des Kampfkunst-Trainings
Ganzheitliches Kampfkunst-Training wie im Shaolin Kung Fu und Tai Chi Chuan
sollte stets 4 Aspekte beinhalten: Form, Kraft, Anwendung und Theorie
Die chinesischen Kampfkünste verfügen über eine Vielzahl hilfreicher
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