Fragen und Antworten
Ausgabe 2021-02

Frage 1

Es gibt ja eine Reihe von klassischen Qi Gong-Übungen.

Kommen da eigentlich noch neue Übungen dazu?

- Kornelia

Die meisten Übungen aus unserem Lehrplan sind traditionell und haben sich über Jahrhunderte bewährt. Die „18 Lohan Hände“ wurden zum Beispiel schon vor 1500 Jahren von Bodhidharma im Shaolin-Tempel unterrichtet.

Im Laufe der Zeit haben sich darauf basierend unzählige Varianten entwickelt. Allein von der ersten Übung, dem „Himmel anheben“ findest du bei einer kurzen Internet-Recherche sicher rasch zehn verschiedene Versionen.

Die „18 Lohan Künste“ aus unserem Level 2 sind allesamt Abwandlungen der 18 Lohan Hände.

Bevor man etwas verändert, ist es allerdings wichtig und notwendig, zuerst eine gute Basis zu entwickeln und Erfahrung zu sammeln. Bis dahin sollte man den Anleitungen so gut wie möglich folgen und nichts absichtlich verändern.

Unser Großmeister, Wong Kiew Kit, hat, basierend auf seinem herausragenden Können, Wissen und Verständnis so manche Qi Gong-Kunst rekonstruiert und eine effektive Version für Shaolin Wahnam entwickelt.

So gab es beispielsweise keine schriftlichen Überlieferungen zu Bodhidharmas „Knochenmarksreinigung“. Sifu gelangte zu der Einsicht, dass es dabei nicht um die körperliche Übung geht, sondern um das Geschick, die Energie bis in die tiefste Ebene zu leiten, das Knochenmark bzw. das Nervensystem. Heute nutzen wir bestehende Übungen und senden den daraus entstandenen Energiefluss dann wohin wir möchten.

Auch wenn wir nicht wissen können, ob Bodhidharma es ebenso gemacht hat, erfahren wir selbst, dass der gewünschte Effekt entsteht. Und das hat in der pragmatischen chinesischen Kultur immer Vorrang. Während im Westen viel diskutiert wird, ob die Herkunft genau belegt ist und die Ausführung exakt eingehalten wird, gilt nach chinesischer Ansicht nur, ob es funktioniert wie es soll.

In Zeiten, als Sifu auf seinen Reisen durch die ganze Welt noch persönliche Konsultationen anbot, unterrichtete er KlientInnen passende Qi Gong-Übungen und wichtige Prinzipien für ihre Praxis, sodass sie anschließend eigenständig weiterüben konnten.

Dabei erkannte Sifu aber, dass manche Personen die Übungen nicht schnell genug aufnehmen konnten. Ihm war es aber wichtig, dass alle nach der einen Stunde eigenständig und effektiv guten Energiefluss auslösen können. So hat er sich, wie es sich für einen Kung Fu-Meister gehört, an die Situation angepasst und spontan einige Übungen vereinfacht oder auch einfachere neue entworfen. Diese sind heute in unseren „18 Juwelen“ gesammelt, die anfangs – ihrem Ursprung entsprechend – „18 therapeutische Übungen“ hießen.

Das „Mond tragen“ aus den 18 Lohan Händen ist zwar an sich keine besonders komplizierte Übung, aber mit dem „Doppeldrachen“ geht es noch einfacher, schnell guten Qi Flow zu generieren. Wenn das noch zu schwierig ist, tut es auch „Zappeln wie ein Fisch“.

Auf großmeisterlichen Niveau können also immer noch weitere hilfreiche Übungen entstehen. Bis dahin haben wir mit den über 100 Übungen und Fähigkeiten unseres „Shaolin Cosmos Qi Gong“ aber reichlich zu tun und zu erleben.

Frage 2

Machen wir heute Tai Chi oder Kung Fu? [Anm.: in der Tai Chi Chuan-Probestunde]

- Thomas

Ja! :)

Während die meisten Übenden Tai Chi nur als eine entspannende Bewegungsform betrachten, sehen wir es als das, was es eigentlich mal war, eine vollständige Kampfkunst.

Und chinesische Kampfkünste werden im Westen unter „Kung Fu“ zusammengefasst. Im Chinesischen wird eher der Begriff „Chuan“ (oder Quan) verwendet, was wörtlich so viel wie Faust bedeutet. Gemeint ist hiermit eine Kampfkunst.

Wir betonen bei unserem Stil, Wahnam Tai Chi Chuan, immer das Chuan am Ende. Eben, weil wir neben den harmonischen, meditativen und fließenden Bewegungsabfolgen auch die Kampfanwendung trainieren, so wie es sich für ein ordentliches Kung Fu-Training gehört.

„Tai Chi“ alleine bedeutet so viel wie „Kosmos“. Somit meint „Tai Chi Chuan“ so viel wie „Kosmos Kung Fu“, weil seine Ausführung bis hin zur Unsterblichkeit oder Erleuchtung führen kann.

Die Kampfanwendung sollte im Tai Chi Chuan-Training
nicht zu kurz kommen, wenn man alle Nutzen einer Kampfkunst erfahren will.

Frage 3

Meine Qi-Bewegungen sind in letzter Zeit weniger geworden. Ist das normal?

- Magdalena

Das ist eine ganz normale Entwicklung.

Es bedeutet nicht, dass du Rückschritte machst und es jetzt nicht mehr so gut klappt. Ganz im Gegenteil!

Anfangs drücken sich die spontanen Qi-Bewegungen zumeist nur in sanfter Schwingung aus, wenn man mal den Qi Flow entwickeln kann.

Mit Übung kommt es oft dazu, dass die Bewegungen größer und ausschweifender werden, weil nun schon mehr Energie im Spiel ist und du nun besser loslassen kannst. Das ist besonders förderlich, um Blockaden auf allen Ebenen, also körperlich, mental, emotional und spirituell zu reinigen.

Hat man eine Reinigungsphase durchlaufen und es gibt nichts Drastisches mehr zu bereinigen, geht man in eine Phase des Bildens über. Die Bewegungen werden von alleine wieder sanfter, was dem Aufbau innerer Kraft zugutekommt.

Äußerlich ist kaum ein Unterschied zwischen den sanften Schwingungen von AnfängerInnen und der „sanften Brise, die die Weiden zum Wogen bringt“ von Fortgeschrittenen zu erkennen. Innerlich ist der Energiefluss bei Letzteren aber sehr viel stärker.

Darum ist es wichtig, die Qualität der Praxis nicht anhand der Bewegungen im Qi Flow zu bemessen. Wenn gerade keine starken Bewegungen nötig sind, passieren innerlich einfach andere Dinge, die im Moment förderlicher für deinen Fortschritt sind.

Frage 4

Ist die Energie das Bindeglied zwischen Körper und Geist?

- Emi

Ja, wir können uns nur bewegen, weil das Qi dem Körper die Energie dafür gibt. Ebenso benötigen wir für jeden Gedanken Energie. Qi ist somit der Treibstoff für unser Leben.

Jing, Qi und Shen sind gemeinsam die drei Schätze unseres Daseins. Gemeint sind damit Körper, Energie und Geist, die immer als Einheit fungieren.

Eine hohe Fähigkeit im Kung Fu wird mit „Shen leitet Qi, Qi leitet Jing“ umschrieben. Dabei löst ein sanfter Gedanke einen starken Energiefluss aus, der wiederum den Körper in Bewegung versetzt. Das ist eigentlich immer so, auch im Alltag und bei Menschen, die keine Energiepraxis betreiben. Jedoch passiert es unbewusst und ohne, dass man den Energiefluss bemerkt.

Bei „Shen leitet Qi, Qi leitet Jing“ geschieht dieser eigentlich natürliche Prozess bewusst und führt dazu, dass man sich in Gedankengeschwindigkeit und ohne Anstrengung bewegen kann. Bei einem Kurs hat Sifu seinen „Dragon Speed“ mal demonstriert. Der Schüler, der sich als Partner anbot, erzählte hinterher – nachdem er wieder vom Boden aufgestanden war – dass er mindestens vier oder fünf Hände auf sich zukommen sah, als Sifu angriff.

Das „Dragon Strength Chi-Circulation Set“ ist besonders gut geeignet,
um Dragon Speed und auch Dragon Force zu entwickeln.

Frage 5

Da ich mich in der Regel zu wenig bewege, habe ich mir angewöhnt, im Anschluss an mein morgendliches Stance-Training (mit Qi-Fluss) etwas "Lohan-Gymnastik" zu machen: Ich führe ca. 10 der Lohan-Hände mit jeweils 10-15 Wiederholungen am Stück aus, einfach, weil ich die Bewegungen so mag und meine Gelenke dadurch gut bewegt werden.

Ich bin nicht im Qi-Gong-Geisteszustand, allerdings kommt schon rein durch die Bewegung kombiniert mit Atmung etwas Qi-Fluss zustande, dem ich aber nicht "nachgebe". Ist das aus deiner Sicht okay, oder könnte das auf Dauer "too much" werden?

- Tobias

Während viele es leider nicht schaffen, absichtlich effektiv Qi Gong zu üben, ist es für uns interessanterweise oft gar nicht so einfach absichtlich ohne Effekt zu üben. Die Fähigkeiten in den Qi Gong-Geisteszustand einzutreten und das Qi fließen zu lassen sind tief in uns verankert und setzen spontan ein, selbst, wenn wir sie nicht bewusst aktivieren.

Es ist aber eine spannende Übung, diese Fähigkeiten auf Wunsch auszuschalten. Probier‘ es ruhig weiter und achte einfach auf Übertrainingssymptome. In Kurzfassung: Wenn du gegenteilige Effekte zu den erhofften und üblichen hast, passe dein Training an.

Für mehr Bewegung finde ich aber das Kung Fu-Training noch besser. Da darfst du den Qi-Hahn auch ruhig aufdrehen, wenn du dich viel bewegst.

Ein guter Mittelweg sind unsere „Shaolin Chi Kung 18 Techniques“, eine schöne Abfolge von Übungen aus Qi Gong und unseren Kampfkünsten.

 

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