Fragen und Antworten
Ausgabe 2021-05

Himmel anheben

Im Qi Gong bewegst du dich, aber ist das sportlich?

Frage 1

Kann man Qi Gong auch als Sport ansehen?

- Stefanie

Ich finde nicht.

Bei Sport im westlichen Sinne powert man sich aus, verbraucht also seine Energie.

Bei Qi Gong hat man hinterher mehr Energie als vorher. Somit ist es das glatte Gegenteil, auch wenn bei beidem der Körper bewegt wird.

Ich bin mal über eine Werbung für einen Qi Gong-Kurs gestolpert. Da stand dabei, dass gute Fitness Voraussetzung für die Teilnahme ist. Ich sehe das als Themenverfehlung. Qi Gong soll uns Kraft spenden und bereit für andere Herausforderungen machen.

Wenn Qi Gong richtig anstrengend ist, hat jemand etwas falsch verstanden. Manche Übungen können anfangs schon ein wenig fordernd sein; hauptsächlich, weil die jeweilige Bewegung dann ungewohnt ist. Aber so, dass man hinterher verschwitzt und abgemüht ist, sollte Qi Gong nie sein.

Qi Gong ist Meditation in sanften harmonischen Bewegungen. Aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin ist das viel gesünder als sich zu verausgaben.

Mein Sifu hat kürzlich wieder geschrieben, dass wir Menschen eigentlich zum Gehen geschaffen sind und nur in Ausnahmesituationen laufen sollten.

Überfordern wir unseren Körper ständig durch harte Workouts, weiten wir zwar die Grenzen der Belastbarkeit aus, auf Dauer kann den Organen aber dann die Energie fehlen und zu Erkrankungen führen.

Ein häufiger Irrglaube im Westen ist, dass Fitness auch Gesundheit bewirkt. Eigentlich ist es genau andersrum. Gesundheit sollte die Grundlage für Fitness sein und die kann man bestens mit Qi Gong pflegen.

Frage 2

Ist es wichtig, ein Ziel zu formulieren?

Also mir zu sagen, was ich eigentlich mit Qi Gong erreichen will?

Meine Herangehensweise ist bis jetzt so, dass ich denke: „der Qi Flow wird schon wissen, was er zu tun hat“.

- Thomas

Es gibt generell zwei Herangehensweisen im Qi Gong: thematisch und ganzheitlich.

Dabei sei noch erwähnt, dass Qi Gong grundsätzlich ganzheitlich ist, weil es Körper, Energie und Geist miteinbezieht. Dennoch kann man auch thematisch an die Sache rangehen, wenn man weiß, wo Disharmonien vorliegen.

Thematisch bedeutet, dass man gewisse Übungen für bestimmte Leiden auswählt und sich als Ziel setzt, diese damit zu überwinden. Also so, wie TCM-Therapeuten aufgrund einer Diagnose, Akupunkturpunkte oder Kräuter auswählen.

Bei Allergien und Unverträglichkeiten, ein Thema, das viele unserer SchülerInnen bewältigt haben, wären zum Beispiel die Übungen „Wasser teilen“, „Finger schütteln“ oder „Buddha umarmen“ besonders effektiv. Diese übt man dann beispielsweise für drei Monate.

Ein Grund, warum Qi Gong oft in Abfolgen mehrerer Übungen praktiziert wird, ist sicherlich, dass man dann auch ohne Diagnose hoffentlich eine passende Übung für die aktuelle Konstitution dabeihat.

Früher haben wir auch in Shaolin Wahnam dazu geraten, sich (realistische) Ziele zu setzen, entsprechende Übungen auszuwählen und dann in festgelegten Abständen zu evaluieren und nötigenfalls die Methode anzupassen.

Nach und nach haben wir uns aber zur ganzheitlichen Herangehensweise hin entwickelt, als unsere seltene und zentrale Fähigkeit, der „Qi Flow“, immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.

In dieser spontanen Phase lassen wir den Energiefluss, den wir uns zuvor mit Übungen erarbeitet haben, frei durch den Körper fließen. Qi fließt nämlich immer dorthin, wo es am meisten benötigt wird… wenn wir es lassen.

Mit diesem Wissen und Vertrauen, können wir die Energie getrost machen lassen, ohne uns darüber Gedanken machen zu müssen, wo denn eigentlich gerade Blockaden sind, die weggereinigt werden sollten. Nicht nur, dass wir ohne jahrelanger Ausbildung ohnehin keine gute Diagnose stellen könnten, mit Qi Flow ist die Praxis sehr viel effektiver. Mit gutem Grund nennen wir ihn die Essenz des Qi Gong.

Wie ich gerne sage: „Hauptsache Qi Flow!“

Oder so, wie du es treffend formuliert hast: „der Qi Flow wird schon wissen, was er zu tun hat“.

Qi Flow

Qi Flow ist die Essenz der Energiepraxis.

Frage 3

Soll man beim Qi Gong die Wiederholungen zählen oder die Minuten stoppen?

- Stefan

Anfangs macht es Sinn, eine gewisse Anzahl der Wiederholungen mitzuzählen. Also beispielsweise 15 Mal „Mond tragen“ oder 30 Mal „Berge schieben“.

Mit der Zeit bekommst du aber ein Gefühl dafür, wie viel es braucht, bis die Energie gut fließt und du im Qi Flow loslassen kannst.

Zu Beginn kannst du außerdem vor dem Üben auf die Uhr schauen und dann erneut, wenn du fertig bist. Alles von 10 bis 15 Minuten passt perfekt für unser kraftvolles Training.

Stellst du fest, dass du 20 Minuten gebraucht hast, übst du beim nächsten Mal etwas kürzer. Bist du schon nach 5 Minuten fertig, fühlst dich aber klar, munter und erfrischt, ist das Ziel schon erreicht und du brauchst nicht nochmals zu üben.

Alarm brauchst du dir jedenfalls keinen zu stellen. ;)

Nach und nach wirst du dich auf eine „gefühlte Viertelstunde“ einpendeln.

Frage 4

Sind die sechs Harmonien auch im Qi Gong wichtig? 

- Andrea

Grundsätzlich nicht.

Die sechs Harmonien stammen aus dem Shaolin Kung Fu und beschreiben, wie man eine Technik zum Meisterwerk machen kann.

Die drei äußeren Harmonien erklären die körperliche Ausführung. „Beginne mit den Beinen, rotiere die Hüfte und ende mit den Händen.“ Die drei inneren Harmonien – wie der Name schon vermuten lässt – die innere Haltung.

Um innere Kraft anzuwenden, müssen alle Komponenten (Körpermechanik, elegante und entspannte Ausführung, Energie und Geist) in Einklang sein.

Im Qi Gong tun wir uns sehr viel leichter. Während uns die Form nicht egal ist, sorgen wir uns nicht übermäßig um die perfekte Ausführung. Andere Dinge sind sehr viel wichtiger .

Bei vielen Übungen wären die sechs Harmonien auch gar nicht anwendbar, weil die Beine stillstehen und keine Hüftrotation eingesetzt wird, wie zum Beispiel beim „Himmel anheben“.

Die sechs Harmonien sind also vielmehr eine Blaupause für Perfektion in der höchsten Kunst. Wenn man sie kennt und einsetzen kann, können sie aus einigen fortgeschrittenen Übungen noch mehr herauskitzeln.

Bei einigen der kraftvollen Übungen aus den 18 Lohan Künsten, die ursprünglich entwickelt wurden, um die Kampfkunstpraxis zu fördern, kommen sie gut zur Geltung und trainieren sie gleichzeitig.

Da die Shaolin Qi Gong 18 Techniken auch einige Übungen aus dem Kung Fu enthalten, sind die sechs Harmonien dort natürlich auch angebracht.

Fierce Tiger Descends Mountain

Die sechs Harmonien verkörpert in „Fierce Tiger Descends Mountain“.

Frage 5

Atme ich im Tai Chi Chuan immer durch die Nase ein und Mund aus oder kommt der Atem wie er will?

- Tian

In all unseren Künsten, wie auch im restlichen Leben, solltest du durch die Nase einatmen und durch den Mund wieder aus. Das ist die natürlich Atmung, die du auch bei kleinen Kindern beobachten kannst.

Durch beständiges Training kannst du diese Art auch wieder natürlich machen und der Atem wird dann so „wollen“.

Die Nase filtert und erwärmt die Luft, die wir einatmen. Der Mund ist ideal, um Altes nach draußen zu befördern. Außerdem ist man entspannter und kann sich besser konzentrieren, wenn der Mund sanft geöffnet ist.

Je nach Entwicklungsstand kümmern wir uns im Tai Chi Chuan zuerst nicht um den Atem. Dann koordinieren wir ihn mit der Bewegung. Und schließlich kümmern wir uns wieder nicht mehr darum, weil er von alleine optimal fließt. Vom Formlosen zur Form, von der Form zum Formlosen...

 

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