Das ABC der Kampfkünste
- Begriffsdefinitionen
„Form“
Häufig wird im Kung Fu das Wort „Form“ verwendet. Mit „Form“ kann man sowohl die Haltung der Hand, eine Pose, eine Technik oder eine Abfolge mehrerer Techniken bezeichnen. Da dies leicht zu Verwirrung führen kann, verwenden wir in Shaolin Wahnam eigene Definitionen.
Um den Zusammenhang der Einzelteile zu erläutern, verwenden wir als Analogie gerne das gleiche System wie beim Lernen des Schreibens.
Da unser Großmeister Wong Kiew Kit uns laufend mit Büchern, Artikeln und Fragen & Antworten-Serien in englischer Sprache versorgt, verwenden wir im Unterricht und auch hier häufig die deutsche und englische Version. Das erleichtert das Verständnis der Texte und die Teilnahme an den Kursen mit Sifu Wong.
Wir verwenden den Begriff „Form“ nur um damit die äußere Form, also den sichtbaren Teil einer Technik oder Pose zu beschreiben. Jemandem „gute Form“ zuzusprechen bedeutet, dass seine Bewegungen gut ausgeführt werden.
„Die Buchstaben“
Stände / Handhaltungen
Bevor wir lernen Sätze zu schreiben, müssen wir zuerst die Buchstaben lernen.
Im Basistraining, das besonders am Anfang wichtig ist, aber auch später niemals seine Wichtigkeit verliert, lernen wir diese Buchstaben.
Anders als z.B. im westlichen Boxen basiert jede Kung Fu-Technik auf einer Standposition. Die Stände geben uns für jede Situation die größtmöglichen Vorteile für Festigkeit, Agilität und Sicherheit. Wir nehmen uns Zeit die korrekte Ausführung der Stände zu lernen. Diese üben wir sowohl statisch im „Zhan Zhuang“ als auch im fließenden Übergang beim „Bewegen in Ständen“. Die Stände geben uns nicht nur die Basis für alle Techniken, sondern auch für das Training der inneren Kraft, dem Chi.
![]() Reiterstand Horse-riding Stance |
![]() Bogenstand Bow-Arrow Stance |
Wir lernen die diversen Handhaltungen von der Faust über die Tigerkralle bis zur Drachenhandform.
![]() Faust Fist |
![]() Tigerklaue Tiger Claw |
![]() Drachen handform Dragon Hand Form |
„Die Wörter“
Technik / Bild / Muster / Pattern
Nachdem wir die Buchstaben gelernt haben, setzen wir sie zu Wörtern zusammen. Diese nennen wir im Kung Fu „Technik“. Auf Englisch „Pattern“, was Muster bedeutet. In der Tai Chi-Literatur wird oft der Begriff „Bild“ verwendet. Was beim Lernen aus Büchern leider leicht vergessen werden kann, ist, dass die Übergänge zwischen den Bildern wichtiger sind als die Endposition. Im Idealfall sollte jede Technik aber so ausgeführt werden, dass man jederzeit ein Foto für ein Magazin schießen kann.
Jede Technik im Kung Fu hat einen Namen der zumeist aus 4 chinesischen Zeichen besteht. Besonders im Shaolin Kung Fu sind diese oft poetisch und tiefgründig. Im Tai Chi Chuan verwenden wir zum Teil technische Bezeichnungen.
Der schwarze Tiger stiehlt das Herz
Black Tiger Steals Heart
Dieser Name verrät dem eingeweihten Praktizierenden, dass es sich um einen Schlag auf Höhe des Herzens handelt und mit dem Geist des Tigers, also mit innerer Kraft, ausgeführt wird.
Es kann vorkommen, dass dieselbe Technik im Shaolin Kung Fu einen anderen Namen hat als im Tai Chi Chuan.
Hier ein Beispiel dafür:
Shaolin Kung Fu:
Die prächtige Ente schwimmt durch den Lotus
Precious Duck Swims Trough the Lotus
Tai Chi Chuan:
Die Sonne dringt in den Lotus
Sun Enters Lotus
Tiefer Stand, aufrechter Schlag
Low Stance Vertical Punch
Anmerkung:
Im Tai Chi Chuan verwenden wir meist eine aufrechte Faust, die Technik ist aber gleich.
Ebenso kann es sein, dass der gleiche Name zwei unterschiedliche Techniken beschreibt.
Hier ein Beispiel dafür:
Shaolin Kung Fu:
Der weiße Kranich flattert mit den Flügeln
White Crane Flaps Wings
Tai Chi Chuan:
Der weiße Kranich flattert mit den Flügeln
White Crane Flaps Wings
In anderen Stilen und anderen Schulen werden oft auch andere Namen verwendet.
„Die Sätze“
Set / Form / Sequenz / Abfolge / Choreographie
Jetzt wo wir Worte schreiben können, fügen wir sie zu Sätzen zusammen. In vielen Kampfkunst-Schulen werden diese Abfolgen mehrerer Techniken „Form“ genannt. Um Verwechslung mit den ebenfalls als „Form“ bezeichneten einzelnen Techniken zu vermeiden, verwenden wir andere Begriffe.
Lange Abfolgen mehrerer Techniken bezeichnen wir mit dem Begriff „Set“ (Zusammenstellung).
Auszug aus dem Tiger-Kranich-Set (Tiger-Crane Set)
Um die intuitive Anwendung im Kampf zu trainieren, verbinden wir ca. 3-6 Techniken zu „Kampfsequenzen“, die mit Partner geübt werden.
Werden mehrere Kampfsequenzen verbunden, entsteht ein Kombinationsset (Combination Set). Die Ausführung mit Partner gleicht dann einem ausgedehnten Kampf.
Um die Kampfsequenzen auch alleine üben zu können, werden der Angriffs- und Verteidigungsteil von 3-4 Sequenzen zu einem „Anwendungsset“ (Application Set) verbunden.
Unser umfassender Lehrplan in Shaolin Wahnam besteht aus:
Basis-Sets
16 Kampfsequenzen für Kung Fu und 12 für Tai Chi Chuan
jeweils 4 Anwendungssets
einem klassischen Set (+Kombinationssets)
jeweils 2 Waffensets (+ Kombinationssets)
Außerdem verfügen wir über einen nie dagewesenen Schatz an klassischen Sets zur späteren Vertiefung und Spezialisierung. Im alten China wurde einem bereits herausragendes Glück nachgesagt, wenn man ein einziges davon lernen konnte. Hier die Auflistungen unserers Repertoirs für Shaolin Kung Fu und Tai Chi Chuan.
Von Sifu Wong kreierte Sequenzen und Sets werden meist nach einer charakteristischen Technik benannt. So kommt es, dass „Fierce Tiger Speeds Across Valley“ (Der wilde Tiger eilt durch das Tal) im Shaolin Kung Fu eine Technik beschreibt, sowie die 5. Kampfsequenz und das 2. Anwendungsset.
Auch die Level unserer Lehrpläne für Shaolin Kung Fu und Tai Chi Chuan sind nach den zugehörigen Anwendungssets benannt.
Im Kontext des Gesprächs ist allerdings schnell klar, worum es sich gerade handelt.
„Schriftarten“
Haben wir erst mal gelernt Sätze zu schreiben, können wir uns weiteren Schriftarten widmen.
So lernen wir die Normschrift, die Schreibschrift und fette Plakatschrift. Aber dazu später mehr... :)

Autor: Sifu Leonard Lackinger
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Ganzheitliches Kampfkunst-Training wie im Shaolin Kung Fu und Tai Chi Chuan
sollte stets 4 Aspekte beinhalten: Form, Kraft, Anwendung und Theorie
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