Partnertraining beim
Shaolin Kung Fu & Tai Chi Chuan

Eine alte Kung Fu-Weisheit besagt:
„Wenn du alleine bist, trainiere Kung. Wenn du Partner hast, trainiere Chuan Fa.“
Was bedeutet das?
„Kung“ heißt so viel wie Fähigkeit.
„Chan Fa“ bedeutet Kampftechniken.
Früher sagte man übrigens auch:
„Zuerst trainiere Kung Fu, dann lerne Chuan Fa.“.
Damit ist gemeint, dass man innere Kraft entwickeln (z.B. mit dem Standtraining), sowie Flexibilität und Beinarbeit trainieren soll, um ein gutes Fundament zu bauen.
Erst dann – oft erst nach Monaten oder gar Jahren – durfte man Kampftechniken erlernen.
Das erste Zitat erinnert uns daran, dass wir eigenständig an unseren Grundlagen arbeiten sollen, wenngleich wir im Kurs am Anfang der Stunden auch etwas Zeit darauf verwenden. Schließlich soll dein „Force-Training“ ja nicht unterbrochen werden, nur weil du zum Training kommst. 😉
Sobald wir aber Partner:innen zur Verfügung haben, sollten wir die Zeit für das Anwendungstraining nutzen (was im Begriff „Chuan Fa“ ebenfalls enthalten ist), das alleine naturgemäß etwas eingeschränkt ist.
Partnerübungen machen daher einen großen Teil unseres Trainings vor Ort aus. Je fortgeschrittener die Gruppe, desto mehr „kreuzen wir die Arme“.
Hier einige Hinweise zum Partnertraining,
die alle Mitglieder kennen sollten.
Das oberste Prinzip im Training und Leben ist „Safety first“.
Falls du mal aufgrund einer Verletzung bei Partnerübungen nicht mitmachen kannst oder besondere Vorsicht geboten ist, sag mir das bitte vor Beginn der Stunde, damit alle Bescheid wissen und noch besser aufpassen als ohnehin schon.
Den Anderen zuliebe halte deine Fingernägel möglichst kurz und lege Uhr und Armbänder ab.
Achte darauf, dass du rechtzeitig abstoppst! Wenn das noch nicht so gut gelingt, übe deine Kontrolle fleißig an einer Wand oder einem Baum.
Übt anfangs immer l…aaa…n…g…s…aaa…m.
Zunächst ist es nur wichtig, die Übungen korrekt auszuführen und ein Gefühl dafür zu bekommen. Wann mache ich was? Wie drücke/schiebe ich den gegnerischen Arm weg? Wie weit muss mein Schritt sein?
Unser Ziel ist es, die nicht sehr hilfreichen evolutionären Reflexe durch neue und bessere zu ersetzen. Und das Programmieren braucht Zeit. Anfangs muss man noch viel überlegen und dem Körper sagen, was er tun soll. Erst wenn der Ablauf immer natürlicher klappt, kann man Tempo und Krafteinsatz kontinuierlich in kleinen Schritten steigern.
Scheue auch nicht davor zurück, deinem Partner oder deiner Partnerin zu sagen: „Bitte langsamer.“ Es ist für sie oder ihn sicherlich auch besser.
Ebenso wie beim Training der Form ist auch hier das zugrundeliegende Prinzip „Starte später, aber komme früher ans Ziel.“.
Wenn Zeitlupe nicht reicht, dann Superzeitlupe verwenden.
Das langsame Einüben gilt übrigens auch später, wenn man Vieles schon schnell kann, aber neue Übungen oder Kampfsequenzen erlernt. Dann erstmal ein paar Gänge runterschalten und das Tempo langsam erhöhen.

Mit der Zeit steigern wir uns bis zu hoher Geschwindigkeit.
Bis dahin gehen wir es aber besser gemächlich an.
Wechselsystem
Damit wir mit möglichst vielen unterschiedlichen Partnerinnen und Partnern üben können, wechseln wir häufig.
Hier alle Details zum Wechselsystem.
Wir stehen in zwei Reihen:
Reihe A (bei uns im Trainingsraum an der Wandseite)
Reihe B (an der Fensterseite)
Ganz vorne ist die Position A1.

Haben wir eine ungerade Anzahl an Teilnehmer:innen, bleibt der letzte Platz in Reihe B frei.

Beim Wechseln wandert man eine Position rechtsrum im Kreis weiter.
Es gibt immer eine fixe Position, die nie wechselt, um perfekte Durchmischung zu erreichen.
Bei gerader Anzahl bleibt A1 immer stehen
Beim Wechseln geht B1 außen um A1 herum in die Reihe A zum Platz A2.

Bei ungerader Anzahl bleibt der leere Platz an gleicher Stelle und alle wandern weiter.

Hat man keinen Partner oder Partnerin gegenüber, heißt das übrigens nicht, dass man Pause hat. Am leeren Platz wartet der „unsichtbare Gegner“, der darauf wartet jemanden zum Üben zu haben. Wiederhole daher die gleichen Übungen wie alle. Nach dem nächsten Wechsel kannst du sie dann mit jemandem anwenden. Manchmal verwandelt sich der unsichtbare Gegner aber auch in mich. 😉
Die Linien sind nun neu gemischt und es kann losgehen!
Person A initiiert die Übung, greift also an. Das erspart uns das ständige Nachfragen, wer denn nun beginnt, und spart daher kostbare Trainingszeit.

Gut ist es, wenn zuerst A 10x angreift, anschließend B. So kommt man gut in die Übung rein, besser als wenn man ständig abwechselt.
Wenn ich nichts dazusage, braucht ihr auch nicht die Seite (rechter Schlag/linker Schlag) zu wechseln.
Später verwenden wir auch folgendes System:
AAA, BBB, ABABAB, jede/r darf angreifen
(also 3x greift A an, danach 3x B, dann 3x abwechselnd, dann frei)
Mindset
Es ist vollkommen okay, wenn ihr einander helft und Spaß habt.
ABER: Lasst das Gerede nicht überhandnehmen!
In erster Linie solltet ihr euch auf das, was ihr tut, konzentrieren.
Darauf gehe ich noch näher ein, wenn wir über die „4 Phasen der Vorbereitung“ und die „3 Ankünfte“ sprechen.

Bereit in Jing, Qi und Shen.
Auch wünsche ich mir, dass es nicht übermäßig laut im Raum wird und ich beim Ausbessern oder Betreuen einer anderen Gruppe nicht schreien muss. 😉
Mit diesen Grundsätzen ausgestattet können wir gemeinsam unsere traditionellen Kampffähigkeiten verbessern und uns sicher in unser achtsames und rücksichtsvolles Partnertraining stürzen … nur nicht zu schnell. 😉

Autor: Sifu Leonard Lackinger
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