Fragen und Antworten
Ausgabe 2020-5

Qi Gong-Übung

Qi Gong ist ein komfortabler Weg, um seine persönlichen Grenzen auszuweiten.

Frage 1

In Selbsthilfebüchern wird ständig erwähnt, dass man aus seiner Komfortzone ausbrechen muss, um sich weiterzuentwickeln.

Im Qi Gong machen wir einfach nach Wu Wei [Anm.: lassen einfach geschehen].

Wie ist es da mit der Komfortzone?

- Andrea

Eine sehr interessante Frage!

Anfangs ist es sicherlich nötig, ein wenig aus der Komfortzone und den üblichen Gewohnheiten auszubrechen.

Du musst in die Schule zum Kurs kommen. Du musst deine tägliche Praxis-Routine aufbauen.

Vergleichsweise ist das aber ein eher geringes „Opfer“, weil das Üben ja sehr angenehm ist und zu deinem Komfort beiträgt.

Bei der Auswahl der Übungen solltest du dich hin und wieder überreden, auch jene zu machen, die dir nicht so liegen. Diese Ablehnung kann durchaus einen inneren Widerstand gegen eine positive Veränderung widerspiegeln, den es zu überwinden gilt, um den nächsten Schritt in deiner Reinigung und Entwicklung zu gehen.

Nur manchmal, wenn starke Reinigungseffekte auftreten, oder wenn sich alte Emotionen beim Lösen nochmals zeigen, kann es kurzfristig etwas unangenehmer werden.

Normalerweise halten wir die Reinigungseffekte aber auf einem erträglichen Niveau, sodass sie unseren Alltag nicht beeinträchtigen. Schließlich soll das Training unser Leben ja bereichern und verbessern, nicht einschränken. Wenn wir morgens nicht aus dem Bett wollen oder nicht zur Arbeit gehen können, regulieren wir unser Training runter.

So werden wir Tag für Tag ein kleines Bisschen reiner und können „komfortabel“ voranschreiten.

Beim Kung Fu ist es natürlich etwas anders...

Auch dabei betreiben wir kein „bitteres Training“, das von Schmerzen, Durchhalten und Quälerei geprägt ist, wie anderswo üblich. Wir genießen unser Training, aber es ist und bleibt eine Herausforderung, die uns immer wieder an unsere Grenzen und darüber hinaus bringt.

Frage 2

Wozu braucht man im Kung Fu den „Goat Riding Stance“ (Ziegenreitstand)?

- Peter

In erster Linie wird der Stand für statische Übungen verwendet, um innere Kraft zu kultivieren, also Energie zu sammeln. Prominente Beispiele dafür sind der Drei-Kreise-Stand, „Wasser heben“ und die Wolkenhände.

Hierbei bietet er einen guten Kompromiss zwischen dem Fließen des Wu Ji-Stand (der Grundhaltung mit den Füßen nahe beieinander) und dem Verdichten von Energie im Pferdereiterstand, der besonders weit ist.

Besonders im Tai Chi Chuan und im Wing Chun Kung Fu hat der Ziegenreitstand einen hohen Stellenwert. So werden große Teile von „Siu Lin Tao“, der ersten Basisform im Wing Chun, im Ziegenreitstand stehend ausgeführt.

Im Shaolin Kung Fu wird das meiste Force-Training im (Pferde-)Reiterstand ausgeführt. Nur beim „Shaolin Flower Set“ und der ersten Sektion des „Iron Wire Set“ kommt der Ziegenreitstand zum Einsatz.

Ich hatte mir schon mal Gedanken gemacht in welchen Anwendungen der Ziegenreitstand sonst verwendet wird und bin auf folgende (wenige) Beispiele gestoßen.

„Farmer Hoes Rice Field“, ein Wurf im Shaolin Kung Fu („Empty Rucksack“ im Tai Chi Chuan).

Im „Drunken Eight Immortals Set“ gibt es „Continuously Offer Wine“ und „Reverse Riding of Donkey“.

Beim Fixieren eins seitlich am Boden liegenden Gegners kann der Ziegenreitstand auch eingesetzt werden, indem man das Schienbein gegen den Rücken und Oberarm drückt. Hierbei passt man sich aber immer an die Situation an und sollte nicht stur die Form des Standes beibehalten.

Ansonsten findet der Stand im Kampf eher wenig Anwendung. Aus dem Training innerer Kraft ist er aber nicht wegzudenken.

Shaolin Kung Fu Wurf

Bei „Farmer Hoes Rice Field“ sitzt man auf der Ziege.

Frage 3

Ist Kung Fu mit klassischem Ballett-Training Ihrer Meinung nach vergleichbar?

- Andrej

Modernes Wushu sicherlich. Es dient ebenfalls der schönen Vorführung vor Publikum und der Perfektion der körperlichen Bewegung.

Traditionelles Kung Fu strebt zwar auch nach guter Beweglichkeit, trainiert aber zusätzlich auch Energie und Geist und dient als spirituelle Praxis.

Bitte versteh mich nicht falsch. Ballett erfordert ebenfalls große Disziplin und einen konzentrierten, eins-gerichteten Geist. Die spezialisierten Fähigkeiten im Kung Fu gehen aber noch einen Schritt weiter. Zum Beispiel kann man lernen, seinen Energiefluss mit dem Geist so zu steuern, dass die Energie die Bewegung antreibt.

Frage 4

Trainieren Novizen anders als die Meister? Wie sieht das Training im Alter aus?

- Andrej

Im modernen Wushu trainieren die Trainer wohl eher sanftes Gesundheits-Tai Chi, weil sie ihren Körper in ihrer Profizeit unter dem Motto „No Pain, No Gain“ verschlissen haben.

Im traditionellen Kung Fu gilt der Grundsatz: „Übe was du lehrst und lehre was du praktizierst.“

Dennoch werden Meister eher fortgeschrittenere Sets (bzw. Formen / Solo-Choreographien) praktizieren und spezielle Fähigkeiten trainieren.

Je länger man trainiert, desto mehr Energie hat man angesammelt. Auch kann man in kürzerer Trainingszeit mehr Effekt generieren.

Reiterstand Ma Bu

Das Standtraining sollte keine Ausdauerübung, sondern ein Training von Entspannung und innerer Kraft sein.

Frage 5

Muss/soll man in einem Stand so lange stehen, bis es wirklich anstrengend ist, also bis man vielleicht zittert oder zumindest schwitzt?

Oder reicht es, einfach eine Zeit bequem zu stehen und dann in den nächsten Stand zu wechseln?

Und soll man auf die Uhr schauen?

- Magdi

Im Stand bleibst du solange stehen, wie es angenehm geht. Beim allerersten „Zwicken“ brauchst du noch nicht aufzugeben, da atme die Anspannung einfach aus und lockere den Bereich gezielt. Aber bis zum Zittern und Verkrampfen soll es keinesfalls gehen.

Im Fitnesstraining spricht man ja gerne vom No-Pain-No-Gain-Prinzip. Also nach 22 Sit-Ups kommt dann die eine Wiederholung, bei der man die Zähne zusammenbeißt und sich mit einem „ahrrg“ doch nochmal hochzieht und dann noch drei Wiederholungen macht. Schließlich beginnt es jetzt ja erst zu „wirken“. Wir würden beim 21. aufhören… wenn wir Sit-Ups machen würden.

Auf die Uhr würde ich nicht schauen. Eine Methode ist einfach nach Gefühl. Eine andere, bewährte Methode ist, die Atemzüge zu zählen. Also den Unterbauch beim Ausdehnen während des Einatmens beobachten, ausatmen und den Unterbauch beim Zusammenziehen beobachten. „Eins“. Ein. Aus. „Zwei“. So hat meinen einerseits einen sanften Fokus am Dantian (Energiefeld imUnterbauch), während der Geist ist einsgerichtet ist, und andererseits einen Maßstab, mit dem man sich kontinuierlich in kleinen Schritten steigern kann.

Also zum Beispiel anfangs 10 Atemzüge im Reiterstand (je nach Atemtempo etwa eineinhalb bis zwei Minuten). Dann 3-4 Tage diese 10 Atemzüge beibehalten. Danach auf 11 oder 12 steigern und ein paar Tage beibehalten, usw..

Für Fortgeschrittene empfiehlt es sich an nichts zu denken und das Stehen einfach mit „No-Mind“, also keinen Gedanken, zu genießen.

 

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