Fragen und Antworten
Ausgabe 2016-5



Qi Gong ist Meditation

Auch Qi Gong ist eine Form der Meditation.

Frage 1

Mir ist bei deinem Artikel über die Studien einiges unklar.

Die meisten Menschen heutzutage üben auf der Form-Ebene und darum nehme ich an, dass auch die meisten Studien auf diesem Level gemacht wurden.

Ich bilde mir ein, ich habe mal gelesen, dass es 3 Level gibt auf denen man üben kann, passend zu den 3 Schätzen des Körpers, und dass wir auf der Geistesebene bzw. dem Mind-Level üben. Wobei ich auch sagen muss ich hab gerade keine Ahnung wie üben auf dem Energie-Level sein soll.

Und da wir auf einem anderen Level üben, denke ich mir, dass die Studien für unsere Art zu üben eher nichtssagend sind, weil die Level zu verschieden sind.

Ich finde auch manche Stile auf derselben Ebene zu vergleichen ist nicht einfach. Z.B. habe ich mal ein Video gesehen von einer Tai Chi-Schule in Wien, die beim Üben sehr ins Schwitzen gekommen sind und es bis zu einem gewissen Grad mit Hip-Hop-Dance vergleichbar ist. Andererseits gibt es dann noch das klassische Bild von Personen, die langsam im Park üben, wobei ich nicht auf den geistigen Zustand dieser Personen schließen kann. Ich glaub die Vorteile dieser zwei Arten unterscheiden sich sehr.

Eine Frage, die sich mir auch stellt, ist, wenn jemand gesünder werden will und es so viele Studien gibt warum dann nicht also simples Spazierengehen, weil Bewegung ist immer dabei? Doch wenn gehen helfen würde, warum sind dann Menschen überhaupt krank?

Der geistige Zustand und Chi Flow sind wichtig und ich glaub ich versteh es, oder zumindest fast, sonst hätte ich gerade mehr Klarheit.

Vielleicht liegt es an meiner Verwirrung, doch ich finde, dass trotz deiner Wort, dass die Künste verschiedener Meister nicht in eine Topf zu schmeißen sind, Personen, die nichts über den Chi Flow wissen den Artikel unter Umständen missverstehen können. Weil warum sollten wir alle Vorteile genießen dürfen die verschiedene andere Arten der Kunst haben, aber bei anderen sind es vielleicht unüberbrückbare Unterschiede?

Dieser Artikel regt wirklich zum Nachdenken an.

Ich hoffe du kannst mir etwas mehr Klarheit geben.

- Bernhard

Man kann die Shaolin-Künste auf den drei verschiedenen Ebenen praktizieren:
1. Körper
2. Energie (Atem)
3. Geist

Die höheren Ebenen enthalten aber auch die darunterliegenden. Auch wenn man unser Qi Gong auch Shen Gong nennen könnte, heißt es nicht, dass die anderen Ebenen nicht auch mitspielen. Es geht lediglich darum, worauf der Fokus liegt. Es sind trotzdem immer alle 3 Schätze im Spiel.

Daher deckt unser Training auch alle niedrigeren Nutzen, wie zum Beispiel das Gleichgewicht zu verbessern und beweglicher zu werden, ab, nach denen bei rein körperlichen Stilen schon Schluss ist.

In den Berichten und Studien wird zwar zum Beispiel auch darauf hingewiesen, dass sich die Praxis für Diabetiker positiv auswirkt. Von kompletter Auflösung von Diabetes war aber nicht die Rede. Dieser Effekt bleibt high-level Stilen vorbehalten, die meines Wissens noch nicht in solche Studien eingeflossen sind.

Auch Alltagsbewegungen wie Spazierengehen oder Geschirrabwaschen regen den Energiefluss an. Dadurch werden ja auch Menschen, die kein Qi Gong ausüben, von vielen ihrer Beschwerden und Verletzungen geheilt, wobei es länger dauert. Diese kleine Anregung reicht aber häufig nicht, um gröbere Probleme in den Griff zu bekommen, schließlich wären sie sonst ja auch gar nicht erst entstanden. Bei der Ausübung unserer Künste ist die Anregung des Energieflusses viel stärker, weil sie auch für eben jenen Zweck entwickelt wurden und daher besser funktionieren als bloß spazieren zu gehen.

Mit diesem Wissen als Basis, kann man ohne Weiteres sagen, dass wir die Möglichkeit aller angeführten Nutzen erreichen können.

Übrigens gibt es auch andere wirkungsvolle Stile, die keinen Chi Flow praktizieren. In Sachen Effizienz und Wirkungskraft ist es mit Chi Flow aber unerreicht.

Frage 2

Wieder mal ein kurzer Bericht, dieses Mal vom Tai Chi Chuan.

Wenn ich mich nicht auf 100% korrekte Form konzentriere, sondern einfach das Set (sozusagen) durchfließen lasse, dann habe ich dabei auch einen Chi Flow.

Anfangs hatte ich den nicht, wahrscheinlich, weil man sich auf die Figuren mehr konzentrieren muss. Aber jetzt geht es recht gut. Der Flow ist ähnlich dem von Qigong, aber kräftiger finde ich. Jedenfalls ist er nicht so zittrig wie das internal force training, wie zum Beispiel beim Zhan Zhuang.

- Emi

Danke für deinen Bericht.

Freut mich, dass du im Tai Chi Chuan nun in den Flow findest.

Wenn wir ein neues Set lernen, gehen wir immer in mehreren Stufen vor:

1. den Ablauf lernen
2. die Form perfektionieren
3. das Set flüssig ausüben
4. die einzelnen Techniken mit Kraft ausführen

Was du beschreibst ist eine gute, natürliche Entwicklung.

Tai Chi Chuan steht für Flowing Force, also fließende innere Kraft. Du hast es also gut wahrgenommen, dass die internal force bei der Set-Praxis fließender ist als zum Beispiel beim Standtraining. Weiter so!


Tai Chi Chuan - Low Stance Single Whip

Schöne Form im Tai Chi Chuan zu erlangen ist nur ein Zwischenschritt, aber noch lange nicht das Endziel.

Frage 3

Wie kann man sich wirklich von Vergangenheit herauslösen und inwiefern ist das so gedacht?

Leugnen wir dann nicht unsere Wurzeln?

Haben Worte von gestern kein Gewicht?

- Louise

Unsere Vergangenheit hat uns zu dem gemacht was wir heute sind. Wir können sie nicht ändern. Darum sollte man sich nicht allzu viele Gedanken darüber machen, wobei man aber aus Fehlern natürlich lernen sollte. Am wichtigsten ist es aber immer im Hier und Jetzt zu leben. Das ist der einzige wirklich wichtige Zeitpunkt, weil er der einzige ist auf den wir Einfluss haben.

Unser Training hilft uns dabei alte Emotionen loszulassen und Menschen, von denen wir denken, dass sie uns Schlechtes getan haben, zu vergeben. Es bringt niemandem etwas alten Groll oder Zorn mit sich herumzutragen. Der einzige, der davon Schaden nimmt, ist man selbst. Wir müssen nicht vergessen was derjenige mit uns gemacht hat, sollten ihm (oder ihr) aber vergeben, damit das Ereignis keinen Einfluss mehr auf uns und unsere Gesundheit hat. Ob der- oder diejenige davon weiß, dass wir ihm bzw. ihr verziehen haben, ist dabei nicht wichtig.

Das heißt wir leugnen unsere Wurzeln und unsere Vergangenheit nicht, lassen uns aber nicht weiter davon beeinflussen und unsere Leben vermiesen. Auch wenn jemand mal böse Worte gegen uns gerichtet hat, verzeihen wir das. Wir müssen nicht beste Freunde werden und können die Person sogar meiden, um nicht wieder verletzt zu werden, aber wir wünschen ihr das Beste auf ihrem Weg.

Frage 4

Muss echte Liebe von Leidenschaft und Verlangen befreit sein?

Ist eine Leidenschaft möglich, die kein Leid kreiert, sondern ein tiefes Glück, oder ist das eine Illusion?

- Louise


Leidenschaft und Verlangen sind völlig natürliche Bedürfnisse und haben durchaus ihren Platz in einem erfüllten Leben. Sexualität ist ebenso ein spirituelles Bedürfnis und auch Buddha lehrte, dass sie zu einem harmonischen Familienleben dazugehört. Anders ist dies natürlich für Mönche und Nonnen. Diese verzichten freiwillig auf Sexualität und andere Genüsse, damit sie nicht von ihrem Weg abgelenkt werden. Um Erleuchtung zu erlangen ist es schlussendlich das Ziel jegliches Verlangen (im Buddhismus häufig "Anhaftung" genannt) abzulegen.

Jede Freude birgt auch die Möglichkeit von Leid. Erst wenn man gar nichts mehr erwartet, kann man nicht mehr enttäuscht werden. Andererseits hält sich auch die Freue über Dinge in Grenzen, wenn man erkannt hat, dass man eigentlich bereits alles hat. Die ist aber nicht mit Gleichgültigkeit zu verwechseln, sondern bedeutet eigentlich eine tiefgründige Freude in Verbundenheit mit allem was ist. Der gewünschte Gemütszustand von Mönchen wird gerne als "heitere Gelassenheit" beschrieben. Das heißt man ist nicht leicht aus der Ruhe zu bringen und immer ein wenig fröhlich, jedoch nicht überschwänglich.

Frage 5

Wenn wir die Vergangenheit hinter uns lassen und das Verlangen überwinden, verlieren wir nicht einen gewissen Reichtum an Emotionen?

- Louise


Für Menschen, die einen ganz normalen Alltag haben, also nicht Mönche oder Nonnen sind, ist es vollkommen normal Emotionen zu haben. Wir können unsere Emotionen durch unser Training besser kontrollieren und loslassen, sollten sie aber keinesfalls unterdrücken. Wenn wir mal weinen müssen, dann sollten wir weinen. Wenn wir uns mal ärgern müssen, dann können wir das ruhig rauslassen. Alles andere wäre erst recht ein Blockieren und Aufstauen, was wir später wieder wegreinigen müssten. Dank unserem Training werden wir nicht mehr von unseren Emotionen kontrolliert, sondern wir kontrollieren unsere Emotionen.

Die Antworten auf Louises weitere Fragen werden in der nächsten Ausgabe veröffentlicht.


Kung Fu Sparring

Vor dem Angriff ist es wichtig sich zuerst gut vorzubereiten.

Frage 6

Die „vier Phasen der Vorbereitung“ beschreiben ja wie man einen Angriff einleitet. Gelten diese auch, wenn wir in der Abwehr sind, bzw. wie setze ich sie dann ein?

- Verena


Die „vier Phasen der Vorbereitung“ gelten ständig, unabhängig davon ob man gerade angreift oder abwehrt. Beide Kontrahenten machen sich bereit (1), schätzen ihren Gegner ein (2) und schmieden Pläne (3).

Wenn der Gegner zuerst angreift, dann führst du deine Abwehr oder deinen Konter ebenso flink, ohne Verzögerung und unter Bedacht auf deine eigene Sicherheit aus (4). Somit erfüllst du ebenfalls alle vier Phasen.

Wenn es deine Strategie ist, den Gegner generell angreifen zu lassen und dann zu kontern, planst du das in der dritten Phase (Möglichkeiten suchen oder diese kreieren).

 

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