Fragen und Antworten
Ausgabe 2020-10

Großmeister Smile

Das Lächeln von Großmeister Wong Kiew Kit ist ebenso strahlend wie seine Karriere.

Frage 1

Wenn sich Großmeister Wong einmal zur Ruhe setzt, wird es dann einen Nachfolger geben, der alles von ihm gelernt hat?

- Elena

Wie es aussieht, wird es nicht einen einzigen, sondern mehrere Nachfolger geben.

Sifu hat die Lehre von vier Linien bzw. Meistern in sich vereint. Niemand hat alles von ihm gelernt. Er kennt um die 100 klassische Kung Fu-Sets (Formen /Abfolgen). Manche von denen hat er nie oder nur ein einziges Mal unterrichtet.

Von ihm aus streut sich seine Lehre daher wieder. So wie Hui Neng, der sechste Patriarch des Zen-Buddhismus keinen einzelnen Nachfolger bestimmt hat, sondern seinen Schülern aufgetragen hat auszustreuen und die Lehre im ganzen Land zu verteilen.

In Shaolin Wahnam haben wir drei Stufen der Errungenschaft. Mit Abschluss der 12 Stufen des Lehrplans für Shaolin Kung Fu oder Tai Chi Chuan, ist man Shaolin Wahnam Kung Fu Practitioner, also fertig ausgebildedeR PraktizieriendeR.

Veröffentlicht man etwas zu einem von Sifu gewählten Gebiet, erlangt man den Status „Researcher“, also ForscherIn.

Bekommt man außerdem die Erlaubnis die Shaolin-Künste zu unterrichten, wird man zum „Protector“ oder „Wu Fatt“, also BehüterIn des jeweiligen Teilgebiets.

So kümmert sich ein Instructor um ein oder mehrere Sets oder spezielle Fähigkeiten, um diese für die Nachwelt zu bewahren. Sifus umfassende und tiefgründige Lehre wird so von unserer Shaolin-Familie im Kollektiv behütet und weitergegeben.

Mir wurde die Ehre zuteil, mich um das Shaolin Five-Animal Set zu kümmern, also die „fünf Tiere des Shaolin Kung Fu“, die ein weitaus tiefgängigeres Konzept sind, also bloß imposante Darbietungen mit Tierimitationen zu ermöglichen.

Sifu ist mit 74 noch immer fit und quietschvergnügt. Er hat eine unvergleichliche Laufbahn hinter sich und unzähligen Menschen auf der ganzen Welt geholfen, ihr Leben mit den Shaolin-Künsten zum Positiven zu wandeln.

Die wichtigsten seiner Künste und Geheimnisse hat er bereits weitergegeben und kann daher guten Gewissens jederzeit den Ruhestand wählen. Natürlich hoffen wir aber alle, dass er uns noch viele weitere Jahre unterrichtet und inspiriert.

Frage 2

Immer wieder verletzt man sich im Alltag mal (Prellungen, Verstauchungen, etc.).

Wie lassen sich solche Zeiten Qi Gong-mäßig nutzen?

- Brigitte

Kleine Verletzungen sind kein Hindernis, Qi Gong zu üben.

Im Gegenteil!

Wie uns die Erfahrung gezeigt hat, können wir die Regenerationszeit auf ein Drittel der üblichen Zeit verringern. Wir konnten schon einige Ärzte mit unüblich raschen Fortschritten überraschen.

Sehr gut eignen sich „Himmel anheben“ und der „Schmetterling tanzt vor Blumen“.

Ansonsten natürlich auch Übungen, die die betroffene Region sanft bewegen.

Zum Beispiel bei den Armen „Sterne pflücken“, bei den Knien „Knie kreisen“, bei Beinen und Hüfte „Bear Walk“, bei den Fußgelenken „Füße wippen“, bei den Schultern „große Windmühle“ und so weiter.

Wie immer ist aber nicht die Auswahl der Übung entscheidend, sondern dass die Energie im Qi Flow gut fließt. Schließlich ist es der entstehende Energiefluss, der die Blockaden löst und nicht die Übung selbst.

Qi Gong Schmetterling

Der Schmetterling ist wunderbar, um Blockaden aller Art rasch zu klären.

Frage 3

Warum atmet man beim Qi Gong durch die Nase ein und durch den Mund aus?

Ich bin das gar nicht gewöhnt, sondern atme immer durch die Nase ein und aus.

- Susi

Die Frage ist eher, warum tust du das nicht mehr von alleine?

Durch die Nase einzuatmen und durch den Mund aus ist die natürlich Art zu atmen, mit der du geboren wurdest.

Aus physiologischer Sicht dient die Nase dazu, die Luft zu filtern, anzuwärmen oder abzukühlen. Die Luft wird besser angefeuchtet und die Sauerstoffsättigung ist höher.

Durch den Mund kann man schneller mehr Schadstoffe ausstoßen. Manche meinen, dass man dadurch Energie verliert. Ist man aber im entspannten Qi Gong-Geisteszustand, wird die Menge an Energie, die man ausstößt aber sofort wieder nachgeladen.

Viele Erwachsene gewöhnen sich andere Atemweisen an. Besonders unter Stress verwenden viele eine flache Brustatmung.

Auch wenn wir es nicht als Anweisung verwenden, ist es eigentlich ideal in den Unterbauch zu atmen, so wie es Babys tun.

In der Praxis sollte man das aber nicht forcieren. Nach und nach entwickeln unsere SchülerInnen von ganz allein, auf natürliche Weise, eine tiefere Atmung.

In manchen Meditationsformen wird nur durch die Nase geatmet, um den Atem besonders zu verlangsamen.

Im Qi Gong geht es darum, Blockaden zu lösen und das Gelöste dann auch abzutransportieren. Das funktioniert am besten über den Mund.

Ist der Mund geschlossen, kann es bei unserem intensiven Qi Gong sogar zu Schwindel, Übelkeit oder Kopfschmerzen kommen. Darum ist „den Mund sanft geöffnet halten“ eine der ersten und wichtigsten Anweisungen in unserem Training.

Häufig beginnen SchülerInnen – speziell im Qi Flow – zu gähnen, was den Abtransport von Altem noch weiter unterstützt. Wir werten das daher als gutes Anzeichen für effektives Üben.

Darum lass den Mund immer geöffnet und lass alles raus! ;)

Mach dir aber keinen Stress deswegen. Wenn es dir auffällt, atme bewusst durch den Mund aus. Dann kümmere dich nicht weiter darum. Halte dich also an unsere erste goldene Regel: Keine Sorgen machen!

Frage 4

Warum trainieren wir Schläge eigentlich nie mit Widerstand, wie mit Pratzen oder Boxsäcken?

- Tian

Auch wenn es in westlichen Kampfsportarten Gang und Gebe ist, auf etwas draufzuhauen, hat das in traditionellem Kung Fu keinen hohen Stellenwert.

Einzige Ausnahme ist das „Iron Palm“-Training, bei dem man auf mit Bohnen gefüllte Säckchen schlägt, um die Hand stärker zu machen

Ansonsten raten wir davon ab, auf Widerstand zu schlagen.

Der Grund ist einfach: Beim Aufprall spannt man die Muskulatur an und baut so zunehmend Spannung auf. Ein Geheimnis innerer Kraft ist aber entspannt zu bleiben. Schließlich hindert Muskelspannung den Energiefluss.

Sifu hatte mal ein Gespräch mit einem Karate-Großmeister. Auch dieser hatte ihm von einer interessanten Beobachtung erzählt. Er hat festgestellt, dass jene SchülerInnen, die nur Katas (Solo-Sets, Formen) trainierten, mehr Kraft hatten, als jene, die regelmäßig auf die Makiwara (japanisches Schlagholz) schlugen.

[Anmerkung: Kurz nach seiner Frage haben wir es im Training mal kurz mit Pratzen ausprobiert. Tian hat gleich danach kommentiert, dass er nun selbst gespürt hat und weiß, warum wir lieber ohne Widerstand trainieren. :) ]

Kung Fu Schlagtraining

Wuchtige Schläge kann man auch ohne Schlagpolster sehr gut trainieren. Sogar besser als mit.

Frage 5

Ich bin oft innerlich sehr unruhig, ja nach Stress ist dieser Zustand auch sehr schnell erreicht.

Eben ist mir aufgefallen, dass ich mich durch eine Qi Gong-Übung super beruhigen konnte.

Nun soll man das ja nicht mehrmals am Tag machen – hast du diesbezüglich einen Tipp für mich?

- Stefan

Toll, dass du dich mit Qi Gong schnell runterholen konntest.

Ja, zweimal am Tag ist völlig ausreichend und mehr nicht ratsam.

Du kannst dich aber bei Bedarf in den Qi Gong-Geisteszustand versetzen. Also ein paar Mal atmen, dich entspannen, aus dem Herzen lächeln und alle unnötigen Gedanken rauswerfen.

Eine andere Methode ist, einen sanften Gedanken zu haben, dass frische Energie vom Kosmos von oben herab durch dich hindurchfließt und dich reinigt und stärkt.

 

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