Fragen und Antworten
Ausgabe 2019-02
Mit der richtigen und schonenden Beinarbeit
ist die Art des Untergrunds nicht so wichtig.
Frage 1
Ich bin zufällig auf eure Webseite gestoßen und war überrascht von der Vielfalt der Informationen, habe vergleichbares noch nie gesehen. Scheint eine sehr seriöse Schule zu sein, deswegen habe ich mich entschieden an euch eine Frage zu stellen.
Ich lerne Hung Kuen und vor einiger Zeit wurde bei mir Kniearthrose diagnostiziert, zurzeit wahrscheinlich im mittleren Stadium, sodass ich mich gar nicht so viel zurückhalten muss.
Jetzt mache ich mir Gedanken über die Bodenausstattung und dessen Auswirkungen auf die Gelenke. Wir trainieren, ganz nach alter Tradition, auf den Betonboden, ob das für die Knie optimal ist...?
Welche Bodenausstattung wäre aus eurer Sicht für mich besser? Auf welchen Böden trainiert ihr?
- Waldemar
Danke für deine netten Worte. Mittlerweile dürfte unsere Webseite den größten Shaolin-Blog im deutschsprachigen Raum haben. Die Informationen sollen nicht nur unseren eigenen Schülern helfen sich weiter zu vertiefen und Prinzipien zu verinnerlichen, sondern auch anderen Praktizierenden zur Verfügung stehen und ihnen hoffentlich hilfreich sein.
Wir haben sowohl einen Raum mit hartem Asphalt-Boden als auch einen kleineren, der mit Matten ausgelegt ist. Ich persönlich bevorzuge den harten Boden oder auch eine Wiese. Bei den Matten ist die Überwindung für Fallübungen anfangs halt nicht so groß.
Ich finde, wenn es um die Belastung der Gelenke geht, ist der Untergrund nicht das Entscheidende, sondern vielmehr wie man sich bewegt. In Shaolin Wahnam nutzen wir bei jedem Schritt das Prinzip „Yin und Yang unterscheiden“, das ansonsten eher im Tai Chi Chuan ausgeprägt ist.
„Yin und Yang unterscheiden“ wird gerne so zusammengefasst:
Bevor du nach rechts gehst, gehe nach links. Bevor du nach links gehst, gehe nach rechts.
Bevor du nach vorne gehst, gehe zurück. Bevor du zurück gehst, gehe nach vorne.
Außerdem verlagern wir das Gewicht bei einem Schritt erst auf das vordere Bein, wenn der Fuß bereits gut steht und schieben dabei das Knie nie über den Knöchel hinaus.
Anfangs ist es etwas langsamer sich auf diese Weise zu bewegen. Mit Übung wird es aber immer schneller und flüssiger und man gewinnt dadurch neben der Schonung der Gelenke vielerlei weitere Vorteile.
Frage 2
Warum üben wir allein zuhause nicht auch zwei Übungen, so wie im Kurs?
- Susi
Das liegt daran, dass wir Übertraining vermeiden wollen.
Bei uns gilt die Prämisse „weniger ist mehr“. Darum üben wir zuhause eine Übungseinheit für 10-15 Minuten. Wer fleißig sein möchte, übt einmal morgens und einmal am Abend oder in der Nacht. So ist auch gewährleistet, dass sich der Körper zwischen zwei Einheiten anpassen kann.
Einmal pro Woche schlagen gewissermaßen über die Stränge, wenn wir im Qi Gong-Kurs im Kwoon zwei Übungen innerhalb einer Stunde machen. Dazwischen ist immer etwas Zeit, um Fragen zu stellen, aber auch, um dem Körper etwas Zeit zu geben die dazugewonnene Energie zu integrieren und sozusagen wieder „runterzukommen“. Es wäre dennoch weder sinnvoll, noch ratsam, diese Intensität zuhause fortzusetzen. Die eine Übung entspricht sozusagen der Morgendosis und die zweite der Abenddosis. Der Kursbesuch ersetzt natürlich die alleinige Praxis zuhause für diesen Abend.
Im Übrigen ist das auch der Grund, warum Schüler üblicherweise nur einen Kursbesuch pro Woche machen. Zu viel Effekt kann sich auch negativ auswirken.
Wenn du zwei Qi Gong-Übungen hintereinander machen möchtest, dann nicht in zwei aufeinanderfolgenden 15-Minuten-Einheiten, sondern innerhalb einer Session. In die etwa 5 Minuten des aktiven Praktizierens von Übungen, kannst du reinpacken und kombinieren was immer du willst. Ein Standard wäre zum Beispiel 15 Mal den „Himmel anheben“ oder 30 Mal „Berge schieben“. Möchtest du beide Techniken üben, reduzierst du die Anzahl der Wiederholungen, machst also beispielsweise 8 Mal „Himmel anheben“ und 10 Mal „Berge schieben“. Zwischen den Übungen gibt es keine besonderen Übergänge. Du hörst mit einer Übung auf und beginnst einfach mit der nächsten.
Die Kursstunden sind intensiver als zuhause.
Einmal pro Woche schlagen wir also über die Stränge.
Frage 3
Normalerweise schaffe ich es immer leicht das Uhrticken in meinem Trainingsraum auszublenden.
Als ich an einem grippalen Infekt erkrankt war (der während nach nur 3 Tagen schon wieder vorbei war), habe ich es jedoch nicht geschafft.
Kann es sein, dass es wegen einer Erkrankung schwerer fällt Störfaktoren auszublenden?
- Walter
Gut, dass du den Infekt so rasch überwunden hast.
Eine Erkrankung kann nur dann auftreten, wenn man gerade aus irgendeinem Grund etwas geschwächt ist. Passiert es uns doch mal, dass wir etwas erkranken, ist unsere Energie darauf fokussiert dies wieder zu beheben und fehlt eventuell bei uns sonst so gewohnten Faktoren.
Daher kann es natürlich sein, dass unsere Geisteskraft vorübergehend nachlässt. Schließlich bildet die innere Kraft, die wir im Training generieren, die Grundlage bzw. den Treibstoff für mentale Klarheit.
Glücklicherweise erholen wir uns sowohl körperlich als auch geistig meist sehr rasch von Erkrankungen, sollten diese überhaupt auftreten.
Frage 4
In Qi Gong-Büchern liest man immer wieder mal von der Anleitung, dass man seine Wirbelsäule so aufrichten soll, wie wenn die Wirbel an einer Schnur hingen und sanft nach oben gezogen würden.
- Toni
Interessanterweise ist diese Beschreibung bei uns das Resultat, nicht die Methode. Einige Schüler haben mir von genau dieser Empfindung erzählt, nachdem sie einige Zeit geübt hatten, obwohl ich diese Phrase nie verwendet habe.
Visualisierungen bereiten oft unnötigen geistigen Stress für Anfänger. Viele würden sich bei obiger Anleitung außerdem zu verspannt aufrichten und gegenteilige Effekte erzeugen und beispielsweise die Brust rausstrecken.
Unsere Anleitungen sind auf Essenz, also das Wichtigste und Notwendige, reduziert.
Der häufig verwendet Begriff „Visualisierung“ ist eigentlich keine gute Auswahl für die Tätigkeit. Es geht nicht darum sich etwas visuell, also bildlich, auszumalen. Auch sind nur wenige wirklich visuell veranlagt und tuen sich damit ohnehin schwer. Wir sprechen immer von einem „sanften Gedanken“, also einem kleinen Anstoß oder dem Einsatz von Intuition bzw. Absicht.
Anfänger nutzen diesen sanften Gedanken bei uns nur, wenn sie am Ende der Praxis kurz an ihr Dantian (Energiefeld im Unterbauch) denken. In unseren fortgeschrittenen Übungen, also wenn Schüler bereits Geschick entwickelt haben, setzen wir später durchaus auch „Visualisierungen“ ein. Bei Übungen wie dem kleinen Universum, die man dem „Nei Gong“, also dem inneren Training, zuschreiben kann, ist der Einsatz des Geistes der wichtigste Teil der Anleitung, ohne den es nicht funktionieren würde.
Bei bewegten Übungen, setzen wir den Geist selten ein, sondern halten ihn möglichst frei und klar.
Ein aufrechter Rücken ist das Ergebnis der
beständigen Qi Gong-Praxis.
Frage 5
Hast du einen Tipp, wie man sich – wenn man noch nicht einfach in den idealen Zustand umschalten kann – zum Beispiel für eine Besprechung vorbereiten kann, wenn man abgehetzt erst kurz davor dort ankommt?
- Ina
Atme kurz bevor du in die Besprechung gehst noch tief durch. Einerseits wird sich körperlich dein Herzschlag beruhigen und auch dein Geist wird ruhiger und klarer werden.
Lächle aus dem Herzen und mache den Geist frei. Trete also so gut wie möglich in den Qi Gong-Geisteszustand ein.
Anfangs mag das ein paar Momente dauern, aber nach und nach wird es immer einfacher fallen auf „Knopfdruck“ umzuschalten.
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