Von der Kampfkunst
zu Kampfsport und Turnen



Wushu Sprung

Eine schöne, akrobatische Demonstration
von modernem Wushu


Dieser Artikel soll, ohne jegliche Wertung, über die Unterschiede zwischen traditionellen und modernen Kampfkünsten, Kampfsport und Akrobatik aufklären.

Definition des Begriffs Kampfkunst

Wie die Künste der Kalligrafie, Malerei oder Musik wurde in China auch die Fähigkeit zu kämpfen als Kunst bezeichnet. Auch das Kämpfen gilt es zu erlernen und es lässt Freiraum für Kreativität.

Heutzutage wird dem Wortteil der Kunst mehr Beachtung geschenkt als dem Teil des Kampfes. Dies führte sogar zur heute weitverbreiteten Meinung, dass Kung Fu nicht für den Kampf geeignet sei. Diese Entwicklung ist eigentlich recht ironisch, schließlich ging es im Ursprung doch darum, ein effektives Kampfsystem zu schaffen, das sich unzählige Male als überragend bewiesen hat. Dass die Techniken schön anzusehen sind, war nur ein angenehmer Nebeneffekt, stand aber nicht im Fokus ihrer Entwicklung. Im Shaolin-Tempel war die Ausübung der Kampfkünste außerdem ein Mittel zur Gesunderhaltung sowie zur Kultivierung des Geistes und somit ein spirituelles Werkzeug auf dem Weg zur Erleuchtung.

Ursprünglich waren die Kampfkünste in China unter dem Begriff „Wu Yi“ bekannt. Später wurde „Chuan Fa“ (Quanfa) verwendet, was wörtlich übersetzt etwa so viel wie „Methode der Faust“ bedeutet und meist auf „Chuan“ abgekürzt wurde. Der Begriff „Wushu“ bedeutet Kampfkunst im generellen und beinhaltete somit eigentlich alle der unzähligen chinesischen Stile.

Im Westen hat sich die Bezeichnung „Kung Fu“ durchgesetzt. Kung bedeutet in diesem Zusammenhang „Kraft und Fähigkeiten“ und mit Fu ist deren Training gemeint. Ein altes Kampfkunstzitat besagt:

„Bevor du Chuan Fa ausübst, solltest du Kung Fu trainieren.“

Das bedeutet, bevor man sich den Kampftechniken widmet, sollte man zuerst eine gute Basis entwickelt haben und innere Kraft kultivieren.

Wushu, die Reduktion auf schönes Aussehen

Als die heutige Regierung Chinas im Jahre 1949 an die Macht kam, wurden sämtliche Kampfkünste verboten. In den 1970er-Jahren wurde das Verbot aufgrund von im Westen erfolgreicher Filmproduktionen gelockert. Die unzähligen Kampfkunstarten wurden in 7 Stile zusammengefasst, mit Wushu bezeichnet und als Volkssport propagiert. Somit bezieht sich der Begriff Wushu heute auf die moderne Form von Kampfkunstdarbietungen.

Die akrobatischen Auftritte sind sehr beeindruckend, aber auf die Anwendung der traditionellen Formen wird ebenso keine Rücksicht genommen, wie auf Gesundheit und spirituelle Kultivierung. Diese Entwicklung ist eine interessante Parallele zur westlichen Gesellschaft, in der oberflächlicher Schönheit leider oft mehr Beachtung geschenkt wird als inneren Werten.


Wushu Demonstration

Eingesprungene Wushu-Figuren wie diese
sehen wunderbar aus, sind in klassischen
Kampfkünsten jedoch nicht zu finden.


Doch auch bereits vor dem Verbot durch die chinesischen Regierung war Kung Fu bereits von einem starken Verfall geschädigt. Zum einen verlor der Faustkampf nach der Einführung von Schusswaffen an Bedeutung. So wurde er von einer überlebensnotwendigen Fertigkeit zu einem Hobby.

Auch die Lehrmethodik hatte sich bereits stark verändert. Früher mussten die Schüler noch dem Meister dienen und hart trainieren, um etwas zu essen zu bekommen. Anfang des 20. Jahrhunderts stellten reiche Landbesitzer Kung Fu-Lehrer an, um ihre Kinder zu unterrichten. Die reichen Kinder waren nicht dafür bekannt besonders fleißig zu trainieren und wenn sie nicht übten, bekam der Lehrer nichts zu essen. Also unterrichtete der Lehrer Kung Fu-Formen anstatt von Kampfanwendungen und zeitaufwändigen Trainingsübungen der inneren Kraft. Bei Festen führten die Kinder wunderschöne Kung Fu-Formen vor und bekamen dafür lauten Applaus. So waren alle zufrieden, die Landbesitzer, der Lehrer, die Schüler und alle Anwesenden.

Aus diesen Gründen sind traditionelle Kampfkünste heute schwer unter dem massigen Angebot von Kampfkünsten und Kampfsportarten zu finden. Die Show-Auftritte und Turnierdarbietungen ähneln mehr dem akrobatischen Turnen als einer authentischen Kampfkunst zur Selbstverteidigung. Keine Frage, dass dies oft, ebenso wie zum Beispiel Bodenturnen, beeindruckend aussieht. Mit den ursprünglichen Zielen einer Kampfkunst hat dies aber wenig zu tun.

Kampfsport, reglementierter Kampf

Wie jeder andere Sport ist auch der Kampfsport an Regeln gebunden. Teils, um die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten, teils um das technische Repertoire dem Stil entsprechend einzuschränken.

Aufgrund der Limitierung durch das gegebene Regelwerk, können es sich die Ausübenden leisten Risiken einzugehen, die in einer Selbstverteidigungssituation lebensgefährlich wären. Häufig würde die eigene Sicherheit außer Acht gelassen. Das soll natürlich nicht heißen, dass z.B. Boxer keine gute Deckung hätten, aber sie schützen sich nur gegen eine vorab definierte Auswahl erlaubter Techniken. Bei der Ausübung ihres Sports ist es ja auch nicht nötig sich gegen Würfe, Griffe oder gar Unterleibstritte wehren zu können.


Chinesisches Kickboxen

Angriffe wie dieser sind natürlich effektiv.
Bei einem realen Kampf wäre das Maneuver
allerdings sehr riskant.


San Da, San Shou und Qing Da sind die chinesischen Varianten des westlichen Kickboxen, nur dass zusätzliche auch Würfe erlaubt sind. Obwohl es vielfach behauptet wird, haben diese Kampfsportarten nichts mit ursprünglichem Kung Fu zu tun. Beim Kung Fu werden grundsätzlich Stände verwendet. Die Beinarbeit der chinesischen Kickbox-Systeme ist die gleiche, wie jene des westlichen Kickboxen und des Muay Thai.

Ein wichtiger Unterschied liegt darin, dass es in der Kampfkunst keinerlei niedergeschriebene Regeln gibt. Ein Shaolin-Praktizierender gibt dem geringsten Mittel, um einen Kampf zu beenden, zwar immer den Vorrang, darf aber im Ernstfall auch nicht vor dem drastischsten zurückschrecken. So sind auch Augenstiche, Tiefschläge und Knochenbrüche nicht ausgeschlossen, kommen aber nur in letzter Instanz zum Einsatz. Ein Shaolin sollte stets mitfühlend sein und seine Schläge kurz vor dem Aufprall abfangen, um dem Gegenüber seine Niederlage zu demonstrieren, anstatt ihn zu verletzen. Die einzige Einschränkung der Kampfkunst ist also die moralische Verpflichtung.

Es ist natürlich vollkommen legitim, wenn man eine Kampfsportart trainieren und sich in Turnieren mit anderen messen will. Ich möchte nur auf die unterschiedliche Definition zwischen Kampfsport und Kampfkunst hinweisen.

Ten Tigers Turniere

Nun könnt man annehmen, dass es nicht möglich ist, Kampfkunst in einem Turnierkampf anzuwenden und doch veranstalteten Kung Fu-Schulen früher ein jährliches „Ten Tigers Turnier“ (Zehn Tiger) bei dem die besten 10 Schüler auserkoren wurden. Obwohl es keine Regeln gab, kam es bei diesen Turnieren nur selten zu ernsthaften Verletzungen, andererseits jedoch manchmal auch zu Todesfällen.

Auch Herausforderungen anderer Meister waren keine Seltenheit und wurden auf dem Lei Tai, einer erhobenen Plattform, ausgetragen. Um sich abzusichern, wurden damals Verträge unterzeichnet, die es den Kontrahenten erlaubten, bis zum Tode zu kämpfen ohne später dafür belangt werden zu können. Heutzutage wären derart Turniere und Duelle zum Glück rechtlich nicht mehr möglich.

Auch wenn es in der Vergangenheit Turniere gegeben hat, kann man generell aber sagen, dass Kampfkünste nicht dafür gemacht wurden, sondern für das Schlachtfeld und die Selbstverteidigung in gefährlicheren Zeiten.

Bewahrung der Künste alter Meister

Glücklicherweise benötigt man die Kampfanwendung heute normalerweise wenig bis gar nicht in unserer vergleichsweise friedlichen Gesellschaft. Leider geriet die herausragende Kampftauglichkeit der genialen Kampfkunsttechniken dadurch aber zunehmend in Vergessenheit. Den wenigsten Tai Chi-Praktizierenden ist überhaupt bewusst, dass sie eigentlich ein vollständiges System zur Selbstverteidigung trainieren.

Trotzdem ist es uns in Shaolin Wahnam ein großes Anliegen, die Kampftauglichkeit der, über Jahrtausende gereiften, Kung Fu-Techniken am Leben zu erhalten. Das sind wir den legendären Meistern, die sich über Jahrzehnte mit der Entwicklung und Verfeinerung der Künste beschäftigt haben, schuldig.


Traditionelle Kung Fu-Anwendung

Hier eine klassische Kung Fu-Anwendung der
Technik "Fierce Tiger Returns to Highland".


Da wir nicht mehr ums Überleben kämpfen müssen und andere Aufgaben in unserem Leben haben, werden wir die Fähigkeiten großer früherer Meister zwar wahrscheinlich nicht erreichen, aber zum Glück ist das ja auch nicht unbedingt nötig.

So können wir unseren Fokus auf die anderen Nutzen der Ausübung einer Kampfkunst, nämlich der Förderung von Gesundheit und Vitalität sowie der Entwicklung einer starken, erfolgreichen und vorbildlichen Persönlichkeit, richten.

Doch selbst um diese Ziele zu erreichen, müssen wir alle 4 Dimensionen des Kampfkunst-Trainings, alos Form, Kraft, Anwendung und Philosophie berücksichtigen. Dies spiegelt sich deshalb natürlich auch in unseren 12-stufigen Lehrplänen wider.

Sifu Leo

Autor: Sifu Leonard Lackinger


einzelne Textpassagen stammen im englischen Originaltext von Großmeister Wong Kiew Kit

 



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Links:

Why can’t Kung Fu practitioners use Kung Fu for Combat?

Clearing the confusion over Kung Fu, Wushu and self-defence

A Treasure House of Combat Application (externer Link)

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